Fioria

Um Euch meine erste Fantasy-Reihe ein wenig näher zu bringen, findet Ihr hier drei Szenen – eine aus jedem Buch, leicht abgewandelt, damit Ihr die Zusammenhänge verstehen könnt. An keiner Geschichte habe ich so lange gearbeitet und gefeilt wie an dieser. Darum bin ich sehr glücklich, Euch die Fioria-Reihe nun vorstellen zu können! Die Romane eignen sich für Jugendliche und junge Erwachsene ab 12 Jahren.

Viel Spaß beim Schmökern in Mias Geschichte!


Band 1: „Fioria – Vom Schatten ins Licht“

Kapitel 16: Der Schlüssel wozu?

Stechender Schmerz durchbohrte meinen Kopf. Ich konnte mich nicht bewegen, keinen Muskel rühren, meine Zunge fühlte sich hölzern an, mein Mund trocken. Ich lag auf einem Bett, auf einem Kopfkissen, über mir befand sich eine Decke, das fühlte ich. Langsam konnte ich meine Arme, meinen Oberkörper und dann meine Beine spüren. Ich merkte, dass ich gleichmäßig atmete. Meine Augen ließen sich nicht öffnen, die Lider waren viel zu schwer. Ich kam mir wie ein großer Stein vor, mein Körper gehorchte mir nicht.

Was war überhaupt passiert? Warum hatte ich Schmerzen? Ich erinnerte mich nur noch dunkel an vereinzelte Bilder. Einen Wald. Sonnenstrahlen durch die Baumkronen. Lloyd.

Scharf zog ich die Luft ein. Lloyd! Er hatte mich ausgeknockt! Ich war von seinem Schlag bewusstlos geworden. Hatten mich meine Kollegen danach gefunden? Hatte Lloyd mich mitgenommen? Befand ich mich im Versteck der Schattenbringer? Wusste mein Freund, wer hinter dem Ranger Takuto steckte? Hasste er mich nun?

Bei diesen Gedanken raste mein Herz. Ich hatte selten solche Angst gehabt. Ich musste wissen, was passiert war! Wo ich mich aufhielt. Wenn mich die Schattenbringer wirklich gefangen genommen hatten, schwebten die Fiorita und ganz Fioria in größter Gefahr! Und natürlich auch ich.

„Bist du endlich wach?“, fragte eine bekannte Stimme leise.

Unbehaglich brummte ich. Wer redete da mit mir? Warum war es ansonsten so still? Ich bemühte mich, meine Augen zu öffnen, scheiterte aber. Meine trockenen Kontaktlinsen spürte ich deutlich. So tief wie möglich atmete ich ein und aus. Da bemerkte ich, wie erstaunlich leicht mir das Atmen fiel. Und das konnte nur eins bedeuten.

Jemand hatte die Weste, mit der ich meine weiblichen Kurven versteckte, geöffnet. Ich spürte, dass ich sie noch trug, ebenso wie die Jacke und das Hemd meiner Uniform, doch die Klamotten waren offen. Egal, wo ich mich befand, ich war als Mädchen aufgeflogen.

Als mir das klarwurde, wimmerte ich. Nun saß ich wirklich in der Tinte. „Bitte“, keuchte ich, „nicht…“ Mehr brachte ich nicht heraus.

„Brauchst du Wasser?“, erkundigte sich die bekannte Stimme.

Mühsam nickte ich. Da schlang mir jemand einen Arm um den Rücken und hob mich behutsam an, bis ich saß. Ich musste die Augen nicht mehr öffnen, um die Person zu erkennen. Diese Berührung. Dieser Duft. Es war eindeutig Lloyd.

Als ich aufrecht saß, fielen mir ein paar offene Haarsträhnen ins Gesicht. Ich trug mein Cap nicht mehr, und auch das Halstuch fehlte. Ich war enttarnt. Und ich zweifelte nicht daran, dass mein Freund mich nun hasste.

Er setzte mir den Hals einer Plastikflasche an die Unterlippe, sodass ich nur den Mund öffnen musste, um ein paar Schlucke zu trinken. Langsam flößte er mir das Wasser ein, das unendlich guttat und meine Zunge wieder beweglicher machte. „Danke“, wisperte ich.

Es kostete mich viel Überwindung, doch irgendwie gelang es mir, die Augen zu öffnen. Schummriges Licht erfüllte den kleinen Raum, die Jalousien waren halb heruntergelassen, sodass ich nicht geblendet wurde. Ich saß auf einem Sofa, Lloyd saß mir gegenüber auf einem niedrigen Couchtisch und hielt mich aufrecht. Beinahe ausdruckslos musterte er mich.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Genau das war die Situation, vor der ich mich am meisten gefürchtet hatte. Dass Lloyd herausfand, wer ich war, und mich dann hasste. Die hämmernden Kopfschmerzen verhinderten, dass ich einen klaren Gedanken fassen konnte.

„Du hast es echt drauf, mir eins mit dem Ellbogen zu verpassen“, flüsterte ich.

„Und du hast es echt drauf, mich anzulügen“, entgegnete er kalt. Bedrückt fixierte ich die helle Wolldecke, die über meinen Beinen lag. Der Zorn triefte regelrecht aus seiner Stimme. So hatte er noch nie mit mir geredet. „Eine so bescheuerte Definition davon, inoffiziell bei den Rangern zu arbeiten, habe ich noch nie gehört!“, schnaubte er.

Stille kehrte ein. Ich brachte keinen Ton heraus, denn ich war mir sicher, was ich auch sagte, es wäre verkehrt. Gequält stöhnte ich auf und presste mir beide Hände gegen die Schläfen. Mein Kopf tat so weh…

„Ja, du hast eine Gehirnerschütterung“, brummte Lloyd und griff hinter sich, um einen Eisbeutel zu nehmen und auf meine Stirn zu legen. „Tut mir leid.“

Die Kälte tat gut, langsam schloss ich die Augen. „Schon gut… Was ist das eigentlich für ein Ort?“, erkundigte ich mich zaghaft.

„Ein Unterschlupf der Schattenbringer“, antwortete er. „Mein Unterschlupf, genauer gesagt. Hier gibt’s zwar nur ein Zimmer, Küche und Bad, aber es erfüllt seinen Zweck.“

„Sind wir in Windfeld?“

„In Litonos.“

Wieder kehrte Stille ein. Die Atmosphäre erdrückte mich beinahe. Oranges Licht fiel durch zwei Fenster herein, anscheinend dämmerte es. Ob mich meine Kollegen bereits suchten? Selbst wenn, sie würden mich nicht finden. Lloyd war ein Profi. Er wäre nie so nachlässig, meinen Peilsender nicht abzuschalten. Ich war auf mich gestellt. Und ich wusste noch nicht genau, ob ich mich in Gefahr befand oder nicht.

Vorsichtig stützte mich Lloyd, sodass ich richtig auf der Couch saß, mit dem Rücken an der Lehne und den Füßen auf dem Boden. Ich blickte ihn fragend an, er saß mir nun direkt gegenüber. Zögerlich nahm ich den Eisbeutel, damit er ihn nicht mehr halten musste. So viel Kraft hatte ich schon.

„Wann hattest du vor, es mir zu sagen?“, grollte er plötzlich. „Oder hattest du überhaupt nicht vor, jemals mit der Sprache herauszurücken?!“

Ich zuckte zusammen, als der Lärm in meinen Ohren widerhallte. „Nicht so laut“, flehte ich und kniff die Augen zusammen.

„Hör mir zu!“, verlangte er. „Und gib mir eine Antwort!“

Ich legte den Eisbeutel auf das Kissen neben mir. „Hör auf zu schreien!“

„Wenn du mir eine Antwort gibst!“

Leise schniefte ich. „Bist du wirklich so wütend?“

Mit je einer Hand stützte er sich rechts und links von mir an der Sofalehne ab und blockierte damit jeden Fluchtweg. „Mia, ich habe niemanden so sehr gehasst wie diesen verfluchten Ranger! Und jetzt muss ich erfahren, dass dieser Mistkerl niemand anderes als meine eigene Freundin ist!“, rief er. „Was glaubst du denn, ob ich wütend bin?!“

„Glaubst du etwa, für mich ist das alles einfach?“, schluchzte ich. „Glaubst du, ich war stolz darauf, es dir zu verheimlichen? Was hätte ich denn tun sollen? Du hättest mich gehasst! Und es war schlimm genug, deinen ständigen Kampfansagen zu entgehen! Außerdem ist es ja nicht so, als hätte ich dich ausgenutzt, um an Infos über die Schattenbringer zu kommen!“

Lloyd zitterte am ganzen Körper. So außer sich, so verzweifelt hatte ich ihn noch nie erlebt. „Ich weiß es ja! Ich weiß es! Aber ich weiß nicht mehr, was ich denken soll! Du hättest es mir sagen müssen!“

„Ich konnte nicht riskieren, dass du mich hasst!“, wandte ich hilflos ein. „Das hätte ich nicht ertragen! Dafür… Dafür…“

„Dafür was?“, zischte er.

„Dafür liebe dich zu sehr, du Idiot!“, wimmerte ich und vergrub mein Gesicht in beiden Händen, damit Lloyd die Tränen nicht sah, die nun über meine Wangen flossen.

Er seufzte. „Verdammt, Mia, warum ausgerechnet Ranger?“

„Weil es der einzige Job ist, bei dem ich für die Fiorita kämpfen kann“, flüsterte ich. „Auch wenn ich mich als Mann ausgeben muss.“

Da spürte ich, wie er sich neben mich aufs Sofa setzte und mich in seine Arme zog. Bei dieser Geste wurde mir wohlig warm. Beinahe konnte ich vergessen, wie wütend er auf mich war. „Aber du bist ständig in Gefahr.“

„Du doch auch“, wandte ich ein. „Warum also ausgerechnet Schattenbringer?“


Band 2: „Fioria – Mit Lüge und Wahrheit“

Kapitel 15: Ein einziger Ausweg

Schlagartig zerbrach etwas in mir. Ich konnte nicht realisieren, was sie soeben gesagt hatte, ich wollte es nicht realisieren. Das durfte sie nicht ernst meinen. Nein! Bitte nicht!

Bevor ich wusste, was überhaupt geschah, weinte ich. Meine Mutter sah mich nur noch wenige Sekunden an. Dann kehrte sie mir den Rücken und eilte davon. Ohne ein weiteres Wort.

„F-Frau Sato, Sie… Ähm…“, stammelte der diensthabende Ranger, als sie an ihm vorbei stürmte. Er hatte eine Hand gehoben, als wollte er sie aufhalten, doch er regte sich kaum. Er ließ sie gehen und drehte sich zu mir um. Musterte mich besorgt. „Das ist bestimmt nur eine … Überreaktion. Vor lauter Schock.“

Ich fand es lieb von ihm, dass er mich trösten wollte, aber ich ertrug es nicht, in diesem Moment angesehen zu werden. Also nickte ich nur und rutschte auf dem Bett weiter nach links, näher zum Fenster, bis ich mich außerhalb seines Blickfelds befand.

Tränen strömten über meine Wangen, ohne ein Ende zu nehmen. Es war alles kaputt. Alles verloren. Meine Mutter wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich hatte es gewusst. Niemand hätte je die Wahrheit über mich erfahren dürfen. Alles wäre anders gekommen, wenn ich mich nicht selbst enttarnt hätte.

Lauthals schluchzte ich, kauerte mich zusammen. Ich konnte meine Gefühle nicht unterdrücken, konnte nicht die Fassung bewahren. Dafür tat es zu sehr weh. Alles war schiefgegangen. Innerhalb weniger Stunden war meine ganze Welt zerschmettert worden.

Die Dämonen und Geister versuchten die ganze Nacht, mich zu beruhigen. Sie redeten mir gut zu, trösteten mich, wollten mich zum Schlafen überreden. Doch es war unmöglich, die Geschehnisse zu verkraften. Und eingesperrt in dieser Zelle konnte ich obendrein nichts unternehmen, um wieder in Ordnung zu bringen, was im Laufe des Tages zerstört worden war.

Nach einer Weile wurde es heller. Es musste schon später Vormittag sein, denn die Sonne ging langsam auf. Der Wachposten hatte schon zum zweiten Mal gewechselt. Ich weinte immer wieder, schrie manchmal vor Verzweiflung und Angst in das Stofftuch, das meinen Mund blockierte. Ansonsten geschah nichts. Niemand kam vorbei. Abgesehen von meinen düstersten Gedanken.

Lloyd könnte tot sein. Meine Mutter könnte sich etwas angetan haben. Die Schattenbringer könnten den nächsten Angriff durchführen. Ich könnte für den Rest meines Lebens hier eingesperrt sein, verurteilt für Verbrechen, die zum Teil frei erfunden waren.

Ich bekam Frühstück, das ich nur unter Aufsicht essen durfte, damit ich keine Gelegenheit hatte, die Fiorita zu mir zu rufen. Dann war ich wieder allein. Draußen war es inzwischen richtig hell. Ich sah ein paar Schneeflocken zu Boden rieseln. Noch nie waren mir die Minuten so lang vorgekommen.

Leises Murmeln drang zu mir vor. Der Ranger, der mich festgenommen hatte und nun Wache halten musste, redete mit jemandem. Bald darauf wurde es lauter. „Los, Luca, lass uns durch“, verlangte eine bekannte Stimme. „Ich hab noch was gut bei dir. Wir müssen mit ihr reden. Also verschwinde für ’ne halbe Stunde, mach Pause.“

Ich runzelte die Stirn. Konnte das sein? Halluzinierte ich?

„Wehe, ich kriege dafür Ärger“, zischte Luca und stapfte davon.

Ich rutschte näher zum Gitter meiner Zelle, um zu sehen, was vor sich ging. Mir wäre die Kinnlade heruntergeklappt, wäre ich nicht geknebelt gewesen. Ulrich, Jakob, Mark, Melodia und Haru standen vor mir! Sie waren wirklich hier!

Alle trugen ihre Arbeitskleidung, die braunen Ranger-Uniformen und die gelben der Techniker. Als sie mich anschauten, wirkten sie besorgt und verärgert zugleich.

„Oh, dieser verdammte Vorsitzende!“, schnaubte meine Grundschulfreundin und schob ihre Hand durchs Gitter. „Komm etwas näher, Mia!“

Ich stand auf und stellte mich direkt vor sie. Nun trennten uns nur noch wenige Zentimeter und das Gitter voneinander. Sie griff nach dem Stofftuch und zog es runter, sodass es nur noch um meinen Hals hing. Sofort schnappte ich nach Luft und brachte sogar ein kleines Lächeln zustande. „Viel besser! Danke!“

Bevor Melodia ihre Hand zurückzog, strich sie über meine Wange. „Das ist doch selbstverständlich! Ich fasse einfach nicht, was der Vorsitzende mit dir macht! Du bist doch kein Schwerverbrecher!“

„Das sieht er anders“, murmelte ich. „Aber ich bin froh, dass ihr hier seid. Werdet ihr deswegen Ärger kriegen?“

Ulrich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Völlig egal. Was er getan hat, ist falsch.“

„Dass du deine Fähigkeiten wirklich vor allen Stationsleitern benutzt hast… Dass du dich freiwillig enttarnt hast… Du bist echt unglaublich.“ Jakob schüttelte den Kopf. „Muss viel Überwindung gekostet haben.“

„Du hast ja keine Vorstellung“, flüsterte ich. „Und inzwischen denke ich fast, ich hätte es nicht tun sollen.“

„Du hast uns gerettet!“, entgegnete Ulrich. „Du hast dich richtig entschieden.“

„Danke.“ Halbherzig lächelte ich. „Der Vorsitzende will mich trotzdem so lange hier einsperren, bis ich mich von den Rangern als Instrument benutzen lasse. In anderen Worten, ich werde lebenslang in Haft sein.“

Jakob blickte mich finster an. „Ganz bestimmt nicht! Glaubst du, das würden wir zulassen?“ Er griff durchs Gitter, um mir eine Haarsträhne hinters Ohr zu klemmen und gleich darauf gegen meine Stirn zu schnipsen. „Das hier ist kein Höflichkeitsbesuch, Mia.“

Entgeistert starrte ich die fünf an. „Ihr wollt… Ihr, ihr wollt…“

Haru lächelte mich an und nickte, wobei einige ihrer schwarzen Haare über ihre Augen fielen. „Wir holen dich hier raus.“

„Auf dem offiziellen Weg wird es aber ewig dauern“, wandte Mark ein. „Wenn der Vorsitzende sie nicht freilassen will, wird er es nicht tun.“

Melodia verzog das Gesicht. „Sei nicht so ein Pessimist! Wir schaffen das!“ Sie drehte sich wieder zu mir um. „Wir befreien dich, Mia!“

„Nein, dann werdet ihr auch auf der Abschussliste stehen! Das kann ich nicht zulassen!“, weigerte ich mich.

Jakob schnaubte. „Ihr zwei habt echt ein Brett vorm Kopf, Melodia und Mark. Es war doch klar, dass wir sie nicht auf offiziellem Weg rausholen können.“

„Hey“, motzte meine Grundschulfreundin. „Wie denn dann?“

Ich runzelte die Stirn, als ich das verschmitzte Grinsen von Jakob, Ulrich und Haru sah. „Was habt ihr vor?“

„Dreh dich um“, forderte mich der Stationsleiter auf.

Skeptisch musterte ich ihn, folgte dem Befehl aber. Da spürte ich, wie er nach meinen Händen griff. Und im nächsten Moment fielen die Handschellen mit einem leisen Scheppern zu Boden. „Du hattest den Schlüssel?“, fragte ich verdutzt, als ich mich wieder zum Gitter drehte.

Er nickte. „Natürlich. Was glaubst du, warum wir erst so spät hier sind? Wir mussten Vorbereitungen treffen.“

Ich bewegte meine steifen Arme vorsichtig, hob sie ein wenig hoch, schwang sie in der Luft. Ich konnte es nicht fassen. Ich war nicht mehr gefesselt und geknebelt. Ich fühlte mich schon fast frei.

„Ulrich hat den Schlüssel besorgt, ich hab den Vorsitzenden währenddessen abgelenkt und Haru hat sich in die Asservatenkammer geschlichen“, erzählte Jakob.

„Davon wussten wir gar nichts!“, empörte sich Melodia.

„Ihr wart ja auch viel zu geschockt, um was zu tun“, entgegnete Ulrich. „Ihr habt etwas Zeit gebraucht, das war doch in Ordnung.“

Mark legte einen Arm um die blonde Technikerin und drückte sie an sich. „Ja… Immerhin hat Mia uns gerettet und wurde dafür eingesperrt…“

Mir stiegen Tränen in die Augen, während ich meinen Freunden zuhörte. „Ihr seid unglaublich“, schluchzte ich und umklammerte die Gitterstäbe.

Haru legte ihre Hände auf meine. „Wir lieben dich eben, Mia.“

„Ich euch auch“, schniefte ich und drückte ihre Finger.

Melodia griff ebenfalls nach unseren Händen. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht! Wie soll das bloß weitergehen?“

„Jetzt kann ich die Fiorita rufen“, wisperte ich. „Ich kann fliehen. Ich kann endlich herausfinden, was Lloyd passiert ist, nachdem er die Schattenbringer verraten hat. Aber ich fürchte, ich … ich kann … ich kann nicht mehr zurück.“

„Du wirst ganz oben auf den Fahndungslisten stehen“, stimmte Ulrich mit rauer Stimme zu. „Du musst untertauchen.“

„Ja“, wimmerte ich. Der Gedanke, meine Freunde lange Zeit nicht mehr zu sehen, bohrte sich wie ein stechender Schmerz in meine Brust. „Danke, danke für alles. Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich war, euch als meine Freunde zu haben.“

Haru drückte meine Hände fester. „Wir werden uns wiedersehen“, versicherte sie mir. „Die Aufregung wird sich irgendwann legen. Und dann kannst du zu uns zurückkommen. Nach Windfeld.“

„Wir werden dort auf dich warten“, schluchzte Melodia, die nun auch weinte.

Mark umarmte sie fest. „Verdammt, Mia… Egal, was du tust, sei vorsichtig, klar? Wehe, du bringst dich in Gefahr!“

Langsam schüttelte ich den Kopf. „Ich werde aufpassen. Ich werde mich von den Rangern und Schattenbringern fernhalten, irgendwie.“ Mir würde schon noch etwas einfallen. Irgendwas.

„Vielleicht hilft dir das ja“, merkte Haru an und reichte mir plötzlich mein Handy, das mir nach der Festnahme abgenommen worden war. „Das hab ich vorhin aus der Asservatenkammer geklaut.“

Mir klappte der Mund auf. „D-d-danke!“, stammelte ich.

„Jetzt hör schon auf zu weinen!“, brummte Jakob und griff durchs Gitter, sodass er mir mit dem Jackenärmel die Tränen aus dem Gesicht wischen konnte. „Ich will dich lächelnd in Erinnerung behalten!“

Vor lauter Rührung lächelte ich wie von selbst. Ich nahm Jakobs Hand und nickte ihm zu. „Ich werde mich bei euch melden. Versprochen.“

„Das will ich dir auch geraten haben“, schnaubte er und umklammerte meine Hand so fest, als wollte er sie nicht mehr loslassen.

Ulrich schob seinen Arm ebenfalls durch die Zellentür, um mir auf die Schulter zu klopfen. „Lass dich nicht unterkriegen, ja?“

So entschlossen wie möglich sah ich ihn an. „Ja!“ Ich würde die Chance nutzen, die meine liebsten Freunde mir gerade gaben. Ich wollte ihnen so viel sagen, doch ich brachte keinen Ton mehr heraus.


Band 3: „Fioria – In Liebe und Hass“

Kapitel 5: Langersehntes Wiedersehen

Unablässig zupfte ich an meinem Pullover, während ich auf meine Jeans starrte. Seit wir das Ortsschild von Windfeld passiert hatten, wagte ich es nicht mehr, den Kopf zu heben und aus dem Fenster zu schauen.

„Glaubst du, du wirst sofort verhaftet, wenn du dich nicht zusammenkauerst?“, erkundigte sich Lloyd mit einem skeptischen Seitenblick auf mich.

„Ähm, nein… Die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Ich bezweifle, dass die Ranger schon auf Patrouille sind“, antwortete ich. „Ich fühle mich nur so komisch hier.“

Er drückte meine Hand, als er an einer roten Ampel anhalten musste. „Du hast deine Freunde so vermisst. Freu dich doch auf sie.“

„Sagen wir einfach, ich hab gemischte Gefühle“, seufzte ich und sah ihn hilflos an. „Es ist so irreal, nach über einem Jahr zurückzukommen.“

„Du schaffst das.“ Er deutete durch die Windschutzscheibe. „Schau mal, da ist die Zweigstelle schon.“

Geradezu wehmütig blickte ich das Gebäude mit dem kuppelförmigen Dach und der Glastür an. Hier hatte ich so viele Jahre gearbeitet… Nun war ich tatsächlich zurück. Und ich sah schon von weitem, dass sich einige Gestalten darin bewegten. Die ersten Ranger traten zum Dienst an.

„Ich kann hier nirgends parken“, stellte mein Freund fest. „Ich lasse dich raus und komme nach, wenn ich einen Parkplatz habe, okay?“

Entsetzt starrte ich ihn an. „Ich soll allein reingehen?“

Er nickte. „Du kennst deine Kollegen doch am besten. Und so kannst du sie vorwarnen, dass ich auch komme. Ich bezweifle nämlich, dass sie einen ehemaligen Schattenbringer so herzlich begrüßen würden wie dich.“

Dass ich selbst nicht mit einer herzlichen Begrüßung von allen rechnete, verschwieg ich besser… „Okay, ich versuche es…“

Lloyd fuhr rechts ran, parkte in zweiter Reihe neben dem Dienstauto der Zweigstelle. „Raus mit dir.“

„Bis gleich“, flüsterte ich und küsste ihn.

Fest drückte er meine Hand. „Du schaffst das.“

„Danke.“ Ich schnallte mich ab und stieg aus. Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, fuhr Lloyd weiter. Ich blieb kurz auf dem Gehweg stehen und musterte meinen alten Arbeitsplatz ausgiebig.

Ich war zurück.

Mein Herz setzte bei diesem Gedanken einen Schlag aus, um daraufhin doppelt so schnell weiter zu schlagen. Nun musste ich mich meinen Kollegen stellen, die ich jahrelang belogen hatte. Nun sähe ich meine Freunde wieder, die mich jahrelang unterstützt hatten.

Halb glücklich, halb ängstlich näherte ich mich der Glastür. Sogar von außen entdeckte ich Melodia und Haru in ihren gelben Uniformen an den beiden Schreibtischen sitzen. Ich sah den muskulösen dunkelblonden Ulrich, der gerade die braune Jacke und das weiße Hemd seiner Ranger-Uniform richtete. Er sagte etwas, verteilte bestimmt die täglichen Aufgaben. Der schwarzhaarige Jakob lehnte an Melodias Schreibtisch, ebenso wie Mark, dessen aufstehende dunkelbraune Haare die Sicht auf Jakob etwas verdeckten. Außerdem befanden sich noch sieben andere Ranger im Raum. Lasse, Riku, Benjiro, Genta, Leo, James und Torben. Ich erkannte jeden von ihnen sofort.

Allerdings musste ich mich regelrecht dazu zwingen, die Zweigstelle zu betreten. Der letzte Schritt durch die Glastür kostete mich unendlich viel Überwindung, meine Beine fühlten sich tonnenschwer an. Doch ich biss die Zähne zusammen und ging hinein.

Im ersten Moment bemerkte mich niemand. Alle hörten Ulrich zu, James suchte Blickkontakt zu Haru, Haru drehte sich demonstrativ von ihm weg. Der dunkelhaarige Frauenheld wirkte deswegen ziemlich enttäuscht.

„Und du gehst mit mir auf Patrouille durch die Innenstadt, Jakob“, beendete Ulrich seine kurze Rede. „Alles verstanden?“

„Ähm, entschuldigt“, meldete ich mich zaghaft zu Wort. „Habt ihr kurz Zeit, bevor ihr an die Arbeit geht?“

Erschrocken drehten sich die meisten Ranger und die beiden Technikerinnen zu mir um. Torben und James, die nicht sehr lange mit mir zusammengearbeitet hatten, musterten mich nur fragend. Lasse, Riku und Benjiro starrten mich an, als hätten sie ein Gespenst gesehen. Genta und Leo klappte der Mund auf. Und meine lieben Freunde versteinerten regelrecht.

Ich bemühte mich um ein Lächeln. „Hallo, zusammen. Ich bin wieder da.“

Lange Zeit wurde ich nur angeschaut, fassungslos, skeptisch, überrascht. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich endlich jemand regte und die unheimliche Stille brach. „Mia!“, rief Melodia und stürmte blitzschnell zu mir. Sie schlang ihre Arme um mich. „Du bist es wirklich! Du bist blond! Aber du bist Mia!“

„Es ist so schön, euch wiederzusehen“, wisperte ich erstickt und erwiderte die feste Umarmung. „Hallo, Melodia. Du siehst wirklich gut aus.“

Ihre strahlend grünen Augen fixierten meine, Tränen bildeten sich darin. „Ich fasse es nicht! Du bist hier!“

Auch Haru riss sich endlich aus ihrer Trance, stand vom Schreibtisch auf und lief zu uns, um sich an der Umarmung zu beteiligen. „Du hast mir so gefehlt!“, schluchzte sie.

Langsam fiel es mir schwer, nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen… Ich drückte meine blonde Grundschulfreundin und die dunkelhaarige Haru so fest wie möglich an mich. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich euch vermisst habe!“

„Das… Das kann doch gar nicht“, stammelte Ulrich. „Bist du es wirklich?“

Vorsichtig löste ich mich von meinen Freundinnen, um mir die Perücke vom Kopf zu ziehen. Ich legte sie auf einen der Schreibtische und strich mir durchs offene orange-braune Haar. Dann lächelte ich den Stationsleiter an. „Klar. Wer wäre sonst so verrückt, trotz der Fahndung direkt zu den Rangern zu gehen?“

„Verdammt, Mia, du hast uns echt warten lassen“, murrte er und schloss mich gleich darauf in seine Arme. „Es ist so gut, dich wohlauf zu sehen!“

Leise schniefte ich und erwiderte seine Umarmung. „Danke.“

„Boah, Mia, du bist den Rangern echt gut entgangen“, lachte Mark. „Respekt, niemand hatte auch nur eine Spur von dir!“

Auch ihn umarmte ich. „Lloyd und ich haben uns ja auch Mühe gegeben. Wir sind mit falschen Namen in den äußeren Provinzen untergetaucht.“

„Clever“, lobte er mich. „Wie lebt es sich da?“

„Ganz gut, etwas langweilig“, erzählte ich.

„Fast eineinhalb Jahre!“, tobte plötzlich eine bekannte Stimme. „Was fällt dir eigentlich ein? Warum hast du so selten geschrieben? Wo warst du überhaupt?!“

Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen drehte ich mich zu Jakob um. „Du hast mir auch sehr gefehlt“, antwortete ich. Ich kannte seine Ausbrüche, die nur von Sorge geleitet waren, zu gut.

Da drückte er mich fest an sich. „Wie geht’s dir?“, flüsterte er.

Verunsichert sah ich ihn an. „Schwer zu sagen… Gemischt.“

„Musstest du auf der Flucht oft umziehen?“, erkundigte er sich.

„Nein, Lloyd und ich haben ein neues Zuhause gefunden. Aber ich hab mir Sorgen um euch gemacht“, gestand ich. „Als ich von Viktor gehört habe, musste ich sofort herkommen…“

Traurig sah Ulrich mich an. „Verstehe… Die Beerdigung ist übermorgen. Wenn du willst, kannst du mitkommen. Wir finden schon einen Weg, dich unauffällig einzuschleusen.“

Zögerlich nickte ich. „Werde ich“, flüsterte ich. Ich atmete tief durch. „Lloyd wird auch gleich hier sein. Bitte nehmt ihn nicht sofort fest.“

„Habe ich nicht vor“, beruhigte Ulrich mich. „Aber warum seid ihr hier?“

„Nach dem Bericht über Viktors Tod konnten wir uns nicht länger verstecken“, erzählte ich. „Wir müssen etwas gegen diesen Krieg unternehmen! Es reicht!“

Haru nickte. „Wir haben alle genug davon!“

„Und die Fiorita meinten, ich könnte etwas bewirken. Ich weiß nur noch nicht was“, merkte ich an.

„Warte mal!“, rief Lasse lautstark. „Bist du wirklich Takuto? Bist du wirklich das Mädchen aus der Legende? Ich glaub das alles nicht!“

Schuldbewusst sah ich den blonden, normalerweise fröhlichen Mann an. „Ja, nur dass ich nicht wirklich Takuto heiße. Eigentlich heiße ich Mia Sato. Und es tut mir unendlich leid, dass ich euch anlügen musste. Als Frau hätte ich niemals bei den Rangern arbeiten können. Außerdem musste ich die Fiorita schützen, darum habe ich meine Fähigkeiten verschwiegen…“

„Du hast uns jahrelang getäuscht!“, warf mir der braunhaarige Benjiro vor. Er zappelte ein wenig, trat von einem Fuß auf den anderen. „Was sollte das?“

„Mir blieb doch nichts anderes übrig“, erklärte ich verzweifelt. „Wie hätte ich sonst die Fiorita schützen sollen, wenn nicht als Ranger?“

„Haben wir das Thema nicht schon lange geklärt?“, brummte Jakob.

„Klar haben wir das, aber du wusstest viel länger davon, wer Takuto wirklich ist!“, entgegnete Lasse aufgebracht. „Du konntest viel leichter verstehen, was vor knapp eineinhalb Jahren passiert ist!“

„Wir, äh, wurden völlig davon, äh, überrascht“, murmelte Genta. „Und das, äh, finde ich, äh, unfair!“

Ich schlang vor lauter Unbehagen meine Arme um mich selbst. „Es tut mir wirklich leid. Es tut mir so leid! Bitte verzeiht mir.“

Lasse sah mich lange an. „Du warst einer meiner liebsten Kollegen…“

„Und das wäre ich gerne geblieben“, flüsterte ich. „Aber die Schattenbringer haben mich in die Ecke gedrängt. Ich musste meine Fähigkeiten nutzen und habe mich vor dem Vorsitzenden und etlichen Stationsleitern verraten. Er tut mir so leid…“

Der etwas pummelige Leo lächelte mich milde an. Benjiro wirkte ratlos, Genta kaute auf seiner Unterlippe herum. Riku seufzte. „Ehrlich gesagt haben wir es dir nie wirklich übel genommen“, gab Lasse zu.

Erstaunt musterte ich ihn. „Was?“

„Du bist ein Ranger und unser Kollege, wie auch immer du eigentlich heißt“, erklärte er. „Du hast mit uns für Fioria gekämpft. Nur das zählt.“

Stürmisch umarmte ich den etwa 30-Jährigen. „Danke!“

„Schon okay“, winkte er ab und tätschelte meinen Rücken.

„Was hat Viktor immer gesagt? In meinem Alter weiß ich, wer gut und wer böse ist. Und Takuto gehörte schon immer zu den Guten, egal wer er wirklich ist. Er ist einer von uns“, zitierte Riku. „So oder so ähnlich.“

Gerührt lächelte ich. Diese Worte von meinem verstorbenen Kollegen bedeuteten mir viel. Ich wünschte mir nur, ich hätte sie aus seinem Mund hören können. „Ich danke euch.“

„Als könnte man lange sauer auf dich sein“, lachte Ulrich und legte mir einen Arm um die Schultern. „Wir sind froh, dass du zurück bist und uns im Kampf gegen die Schattenbringer helfen willst!“

„Lloyd und ich werden alles tun, was in unserer Macht steht“, versprach ich.


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